Das Thema “sich abgrenzen“ – von Aufgaben, von KollegInnen oder von der Arbeit überhaupt – begegnet mir immer wieder in Gesprächen mit Fach- oder Führungskräften. Manchmal klingt es sogar so, als hätte das Abgrenzen für sich eine Bedeutung. Möglichkeiten, wie ich mich von Mitarbeitenden gesund abgrenze, finden Sie in diesem Artikel.
Sich Abgrenzen – eine Frage des Alters?
In einem dieser Gespräch bin ich hellhörig geworden, weil die Führungskraft zum Ausdruck gebracht hat, sie sei nicht erzogen worden, nein zu sagen. Und ja, es gibt Befunde, die darauf hindeuten, dass die sogenannten Babyboomer Belastung anders erleben als zum Beispiel die Generation Z. Psychotherapeut Andreas Hillert beschreibt ein Leitmotiv der Generation Babyboomer „Nur, wer etwas leistet, ist etwas wert!“.
Zur individuellen und gesamtgesellschaftlichen Wirtschaftsleistung haben solche Motive in der Vergangenheit beigetragen. Aber die Gefahr solcher Motive besteht auch darin, in Überlastungskonstellationen hineinzugeraten. Und was jemand mit solchen Leitmotiven eher lernen darf, ist sich abzugrenzen und nein zu sagen. Nun ist sich abgrenzen nicht ausschließlich eine Frage des Alters und auch nicht ausschließlich eine Frage der Generation Babyboomer.
Jedoch lebt die Generation Z andere Leitmotive, die sich etwa in weniger Zielorientierung ausdrücken. Sich abgrenzen ist hier im Durchschnitt deutlich weniger ein Thema. Sicherlich steckt da gegenseitiges Lernpotential zwischen den Generationen.
Wenn wir uns abgrenzen wollen, macht es Sinn, über das Wozu nachzudenken.
Wozu sich konkret abgrenzen?
Ganz generell ist Arbeit nicht ungesund. Sie bedient zum Beispiel unsere Bedürfnisse nach Zugehörigkeit oder nach menschlicher Nähe. Ganz generell sind auch viele soziale Kontakt nicht ungesund. Rein quantitativ können wir zwar nicht alle bedienen, jedoch fordern unterschiedliche soziale Kontakte verschiedenste Gehirnareale heraus.
Viele unserer Bedürfnisse werden erst durch das soziale Miteinander bedient. Aus meiner Sicht als Coach sehen wir zuerst dahin, was es konkret zu schützen gilt, bevor wir darüber nachdenken, von was wir uns abgrenzen wollen. Ein konkretes Wozu, welches ich bei Führungskräften erlebe, ist das inhaltliche Arbeiten.
Ich meine die Balance zwischen Alltagsaufgaben und solchen Dingen, die Fokus und Zeit benötigen, wie zum Beispiel Konzepte schreiben, an der Weiterentwicklung der Abteilung arbeiten, einen Fachartikel entwerfen. Das erfordert Grenzziehungen. Und zwar an spezifischen Stellen, etwa dass wir nicht ständig für Mitarbeitende verfügbar sind. Uns stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
Wie ich mich von meinen Mitarbeitenden gesund abgrenze?
Eine fixe Art und Weise oder Methode mich abzugrenzen, die dauerhaft Bestand hat, gibt es meiner Erfahrung nach nicht. Manche Methoden können jetzt ihre Berechtigung haben. Und sobald die Anforderungen verändert sind, können wir uns wieder anders verhalten.
Eine Situation, die mir in meinem Unternehmeralltag immer wieder begegnet, findet an der Kaffeemaschine statt. Ich bin in Vorbereitung auf einen Termin mit einem Kunden oder Partner, der etwa eine Viertel- oder halbe Stunde später beginnt. Während der Vorbereitung trinke ich gerne einen Kaffee. Den hole ich mir dann zu Beginn meiner Vorbereitungszeit. Die Kaffeemaschine steht im Gemeinschaftsraum. Immer wieder begegne ich KollegInnen dort.
Dort bekomme ich regelmäßig nachfragen an mich in meiner Rolle als Führungskraft. Nun bin ich nicht nur an der Kaffeemaschine, wenn ich am Beginn meiner Vorbereitungszeit bin, ich trinke nämlich gerne Kaffee. Und betreibe dort auch gerne social contacting, sofern der Geräuschpegel des Mahlwerkes das zulässt. Menschen, die mich an der Kaffeemaschine treffen, wissen also nicht, ob bei mir gerade ein Termin ansteht oder nicht.
Ja, nein oder länger?
Ich versuche das in dieser Form zu lösen. Wenn die Nachfragen an mich eingeleitet werden mit „hast du kurz?“, dann kann ich direkt reagieren und weiße auf meine Vorbereitung hin. Wenn keine Frage kommt, sondern direkt losgelegt wird, dann interveniere ich schnell und frage, ob ein schnelles Ja oder Nein von mir ausreicht. Solche Nachfragen gibt es manchmal auch.
Ich selbst bin in solchen Situationen auch froh, wenn ich eine rasche Antwort bekommen und weiterarbeiten kann. Wenn es Anfragen sind, die mehr Zeit benötigen, als ich gerade minimal investieren will, dann frage ich zurück. Ob es ausreicht, wenn wir uns “später um vier Uhr“ oder “morgen nach der Teambesprechung“ austauschen können oder, oder, oder. Ich habe irgendwann festgestellt, dass mir ausreichend Vorbereitungszeit plus Kaffee wichtig sind, weshalb ich diese Zeit so schütze. Die Resonanz auf diese Methode ist positiv.
Grenzen setzen bedeutet, es gibt ein innen und außen. Persönlich finde ich es wichtig, sorgfältig damit umzugehen. Und rechtzeitig über mögliche Grenzen und deren Bedeutung nachzudenken. Fragen, die mich darin unterstützen, sind
- Wozu konkret möchte ich mich abgrenzen?
- Welche Möglichkeiten fallen mir und einem wertvollen Mitmenschen ein, um das zu erreichen?
Markieren Sie Ihre Grenzen mit gesunder Sorgfalt
Felix Pritschow