Die Stimme ist mehr als Klang – sie ist Ausdruck, Beziehung, Haltung. Wer spricht, nimmt Raum ein. Was brauchen Stimmen, um zu klingen? Wann gebe ich der eigenen Stimme Raum?
"Leise plätschert, tappt, knistert Regen auf Lindenblätter. In deren helles Grün sind hellgelbe Blütenblätter eingeflochten, ein wenig ins Sandfarbige. Vögel zwitschern. Ihre Klänge gehören dazu. Schmiegen sich an, bemerkenswert natürlich. Laden ein, inspirieren, fügen sich ein, begleiten, sind einfach. Beim Zwitschern erfassen Schwingungen die zarten Vogelglieder, breiten sich aus, erfassen auch unser Ohr. Ein Zeichen ihres Daseins. Ohne Vögel würde die Welt aus den Fugen fallen, kippen, nicht mehr das sein, was sie ist. Systeme würden kollabieren. Vögel leben, Vögel zwitschern."
[ein Naturkonzert]
Stimme ist etwas sehr Vielschichtiges. Ganz schlicht meinen wir Töne, die wir aus unserem Mund nach außen bringen. Wir bezeichnen jemanden als die Stimme einer ganzen Generation, geben unsere Stimme ab, erheben unsere Stimme, empfinden etwas als stimmig, lassen die Stimme der Vernunft sprechen, verleihen jemandem oder etwas eine Stimme, stimmen ein Instrument, legen Wert auf Mitbestimmung, wollen selbstbestimmt leben, betreiben Stimmbildung, sind verstimmt.
Keine Stimme, kein Gehör
Wer keine Stimme hat, findet kein Gehör. Stimme hat Bedeutung: Selbstausdruck, Informationsvermittlung, Abgrenzen, bemerkbar machen, Wählergunst, Stärke, Selbstvergewisserung, leise Töne. Und: Nicht zuletzt meinen wir auch die Stimmen in uns, in unserem inneren Dialog. Stimmen, die verschiedenen Positionen miteinander aushandeln
Im Coaching begegnet mir Stimme als Ausdruck von Gefühlen und Stimmungen. Als Spielmittel, meint als Instrument, mit dem wir unsere Wirkung unterstreichen können. Als Möglichkeit, Denk-Räume zu konstruieren, Platz zu schenken oder zu füllen. Als Möglichkeit, andere zu führen.
Stimmen belegen Räume
Menschen, die sprechen, besetzen Räume. Menschen, die viel sprechen, besetzen Räume länger. Und Zeit vergeht. Neulich in einem Workshop auf einem Kongress, an dem ich teilgenommen habe. Die Workshopgeber erzählen von ihrer Situation und haben mehrere Fragen, die sie ans Plenum stellen. Erinnerte ein wenig an das Modell Kollegiale Beratung.
Mit dem Unterschied, dass keiner die Beiträge aus dem Plenum ordnete. Wenn es keine Sprechordnung gibt, dann gehen Stimmen durcheinander und Beiträge können lang werden. Eine Kollegin, ebenfalls Teilnehmerin hat sich dann irgendwann aus eigener Motivation bereit erklärt, eine Redeliste zu führen. Mit dem Effekt, dass die Beiträge kürzer und pointierter wurden, weil das Gefühl entstand, dass noch eine weitere Stimme Gehör finden will.
Der eigenen Stimme Raum geben
Stimmen haben Relevanz in sozialen Gefügen. Unsere eigene Stimme hat Relevanz. Wir können uns fragen:
- Was braucht meine Stimme, damit sie klingt?
- Habe ich meine Stimme(n) gefunden?
- Woran merke ich das? Woran merken ich das im eigenen Körper?
- Was hindert mich daran, meine Stimme zum Klingen zu bringen?
Als Menschen haben wir die Möglichkeit uns mit solchen Fragen auseinanderzusetzen. Als Vögel würden wir einfach einem inneren Antrieb folgen.
Bleiben Sie freudig gestimmt
Felix Pritschow