Die eigene Arbeit gestalten wird gefordert, besprochen, zu wenig getan, übertrieben. Job Crafting gibt diesem Thema einen Namen und auch eine Richtung. Wie ich mich von Job Crafting anstoßen lasse, lesen Sie hier.
Schon den Begriff Job Crafting finde ich spannend. Eine proaktive Haltung zur eigenen Arbeit und den eigenen Aufgaben bekommt dadurch nämlich eine Überschrift. Freilich kann man den Begriff sehr unterschiedlich verstehen. Allgemein bezeichnet Job Crafting das selbstständige Gestalten der eigenen Arbeit z.B. mittels der Arbeitsorganisation, der Beziehungsgestaltung oder der eigenen Einstellung zur eigenen Arbeit.
Job Crafting zahlt ein auf den Sinn
Wirtschaftspsychologen der Ludwigs-Maximilian-Universität München schreiben dazu „Beim Job Crafting gestalten Mitarbeiter eigenständig ihre Arbeit, um sie als sinnvoller zu erleben“. Aus meiner Coach-Perspektive nehme ich wahr, dass der Aspekt „Sinn der eigenen Arbeit“ in den letzten Jahren wichtiger geworden ist. Zum Beispiel erlebe ich in Karrierecoachings häufiger, dass die Menschen auf das Wozu achten, wenn sie sich einen potenziellen Arbeitgeber aussuchen.
Die Frage nach dem Wozu lässt sich auch kleiner denken. Nämlich, wozu dienen die Aufgaben, die Menschen auf der Arbeit tun? Dazu gibt es eine kurze Anekdote über John F. Kennedys Begegnung mit einem Menschen im Blaumann, den er anno 1962 bei einem NASA-Besuch spontan fragte, was seine Aufgabe hier sei. Der Mann, ein Hausmeister, antwortete, er helfe dabei, Menschen auf den Mond zu schicken.
Der Mann hat einen Blick fürs Ganze und seine Aufgabe darin. Oder er hat eine Führungskraft, die ihm deutlich vermittelt, was seine Aufgabe zum Erfolg der ganzen Raumfahrt beiträgt. Ich finde, Führungskräfte dürfen sich immer wieder mit dem Wozu ihrer Organisation, ihrem Bereich oder Team auseinandersetzen. Und: Wann haben Sie zuletzt über das Wozu mit Ihrem Team oder Kollegen gesprochen?
Gestaltungswillige Mitarbeitende oder Möglichmacher Führungskraft?
Job Crafting finde ich auch spannend, weil der Begriff eine Haltung von Mitarbeitenden beschreibt. Nicht die von Unternehmenslenkerinnen oder von Führungskräften. Sondern die von Mitarbeitenden, die ihre Aufgaben, ihre Stelle eigenständig gestalten. Das können auch Führungskräfte im mittleren Management sein. Der Begriff beinhaltet die Blickrichtung bottom-up. Was braucht es eher: gestaltungswillige Mitarbeitende oder einen ermöglichenden Führungsstil?
Neulich begegnet mir eine Führungskraft im Coaching. Ein Thema, das er mitbringt, ist der Umgang mit einer Mitarbeitenden. Sie kommt aus einer krankheitsbedingten Fehlzeit zurück ins Team, in dem zwischenzeitlich aufgrund eines personellen Wechsels Aufgaben und Verantwortungsbereiche verändert waren. Nach Rückkehr in die neue Team-Situation verändert die Mitarbeitende ihren Arbeitsstil. Sie setzt Grenzen, wo vorher ein „ja, mache ich“ stand. Sie äußert Wünsche zu relevanten Arbeitsthemen, die vorher so klar nicht ausgesprochen waren. Das gibt Struktur im veränderten Teamgefüge, stellt aber Anforderungen an die Führung.
Wünsche an die Führung richten
Wenn er mit Wünschen konfrontiert ist, spürt er einen Anspruch an sich als Führungskraft. Er berichtet, er habe früher Einladungen in Teammeetings ausgesprochen, dass die Mitarbeitenden doch gerne auf ihn proaktiv mit Veränderungswünschen zukommen sollten. Nun geschieht das immer mehr und er möchte seinen Führungsverhalten an diese veränderte Situation anpassen. Er beschreibt seine Wunsch-Haltung mit den Worten „ein Gegenüber auf Augenhöhe sein“ und „partizipativ“.
Die Führungskraft spricht Einladungen aus, Mitarbeitende kommen darauf zurück, die Führungskraft verändert ihr Führungsverhalten hin zu mehr Rahmenorganisation und weniger inhaltlichem Führen. Job Crafting wirkt auf verschiedenen Ebenen in diesem Beispiel, aber auch generell. Eine Langzeitstudie über vier Jahre zu sozialer Gesundheit am Arbeitsplatz bilanziert, dass Job Crafting langfristig die Arbeitsfähigkeit erhöht.
Wenn Mitarbeitende ihre Arbeit selbstständig gestalten, indem sie sie bewusster organisieren, Technik zur Effizienzsteigerung nutzen oder die Art und Weise verändern, wie sie über ihre Arbeit nachdenken, fördert das die Arbeitsfähigkeit so die Studienergebnisse.
Wie ich mich von Job Crafting anstoßen lasse
Führungskräfte haben Hebel in der Hand um entweder als Vorbild oder als RahmengeberInnen Voraussetzungen zu schaffen, dass Mitarbeitende zu mehr Gestaltung ihrer Arbeit finden. Und oder umgekehrt, dass sie sich von Job Crafting anstoßen lassen.
Bleiben Sie entwicklungsdurstig
Felix Pritschow