Gefühltes Vertrauen lässt sich bauen

Vertrauen bauen
Felix Pritschow

Felix Pritschow

Gefühltes Vertrauen lässt sich bauen

Eines Morgens klingelt der Wecker. Ich wache mit einem diffusen, aber unangenehmen Gefühl auf. Und kann das richtig im Körper spüren, im Brustraum und auf der Haut. Ich wundere mich und stelle mir die Frage, was dieses Gefühl in mir ausgelöst haben könnte. Vielleicht bin ich aus einem Traum aufgewacht, habe Erlebtes von gestern verarbeitet. Spontan kommt mir ein Arbeitstreffen vom gestrigen Abend in den Sinn. Es ging um die Vorbereitung eines Events. Viele von denen, die sich zum Treffen angekündigt hatten, haben kurzfristig abgesagt. In dem Moment war ich enttäuscht. Und das kratzt an meinem Vertrauen. 

Mir ist sehr bewusst, dass wir Menschen etwas für Vertrauen in Beziehungen tun können. Vertrauen in Arbeitsbeziehungen hat außerdem einen sehr großen Wert für alle Beteiligten. Es schafft Sicherheit, wenn ich meinen Mitarbeitenden vertraue. Es schafft Orientierung, wenn ich meiner Führungskraft vertraue. Die Arbeit bleibt menschlich. Auf dem Kongress „Zukunftsfähige Organisationen Gestalten“ habe ich eine Keynote zum Thema „Vertrauensarchitektur: Vertrauen entwickeln mit System“ und einen Workshop, beide von Eric Eller, erleben können. 

Prinzip Wechselseitigkeit

Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eines der zehn, von Eller herausgearbeiteten Prinzipien von Vertrauen, die Reziprozität. Reziprozität meint Wechselseitigkeit. Wenn wir vertrauen aufbauen wollen, bedeutet es so viel wie: Wenn du mir Vertrauen entgegenbringst, dann bringe ich dir Vertrauen entgegen und genauso anders herum. Das kann mit kleinen Beispielen beginnen und sich dann entwickeln. Eine Art „Aufwärtsspirale des Vertrauens“.

Spannend war dann, dieses Prinzip direkt im anschließenden Workshop zu erleben. Wir waren eine Gruppe von etwa 30 Menschen, die sich nicht kannten. Eric Eller hat drei Fragerunden angeleitet, in denen sich jede Teilnehmende äußern konnte. Die Fragen wurden von Runde zu Runde persönlicher. Wir konnten, mussten aber nicht antworten. Es war ehrlich bemerkenswert wahrzunehmen, was für berührende, teilweise intime Beiträge in die Runde gegeben wurden. Das funktionierte nur, weil sehr viele in dieser heterogenen Gruppe Persönliches gezeigt haben und zwar Runde für Runde mehr. Manche hatten sich auch bei einzelnen Fragen dagegen entschieden, etwas zu beizutragen. Trotzdem haben die gegenseitigen Einladungen einander zu vertrauen überwogen, weil Vertrauensaufbau eben wechselseitig geschieht.

Das gefühlte Miteinander im ZRM®

Mit dem Zürcher Ressourcen Modell® kann ich in einem Team oder einer Gruppe ähnliche Entwicklungen anstoßen, wenn einige Voraussetzungen geklärt sind. Im Grundkurs des Zürcher Ressourcen Modells® zum Beispiel beobacht ich als Trainer, dass sich das Miteinander in der Gruppe von Anfang zum Ende verändert. Dafür ist ein Arbeitsprinzip wichtig, das im Kursverlauf immer wieder auftaucht. Nämlich dass sich die Teilnehmenden zu verschiedenen Aspekten gegenseitig Ideen schenken. Jeder profitiert von den anderen Menschen und deren Ideen in der Gruppe. Und jeder partizipiert an der Entwicklung der anderen. Auch dadurch entsteht die oben angesprochene Wechselseitigkeit. 

Im Verlauf des Grundkurses haben die Teilnehmenden vielfältige Möglichkeit an den Themen der anderen teilzuhaben. Da alle ein Interesse daran haben, an ihrem Thema weiterzuarbeiten und an dem Prozess teilnehmen, entsteht auch Vertrautheit miteinander. Das führt auch dazu, dass sich die Teilnehmenden miteinander vernetzten und teilweise über die Dauer des Kurses miteinander in Kontakt stehen. Sozusagen als soziale Ressource.

Ich denke, Beziehungen funktionieren nicht ohne Vertrauen. Jedoch kann die Stärke oder Intensität des Vertrauensgefühls variieren. Nicht jede Beziehung ist so vertraut, dass alle Themen darin Platz finden. Und so könnte man von einem adäquaten Vertrauenslevel sprechen, was zu Anliegen und Inhalt einer Beziehung passen sollte. Gerade auch im Arbeitsleben, auch hier benötigt es Vertrauen in Führungskräfte und das eigene Team.

Das gefühlte Vertrauenslevel ist individuell

Das empfundene Vertrauenslevel kann auch je beziehungsteilnehmender Person unterschiedlich sein. Hinsichtlich meinem Bespiel zu Anfang kann es also sein, dass die anderen Teilnehmenden die Beteiligung an dem Arbeitstreffen völlig in Ordnung und das Vertrauen in der Gruppe als intakt empfanden. Wechselseitigkeit beinhaltet, dass ich selbst ebenfalls die Möglichkeit habe aktiv zu sein, auf das Vertrauenslevel einzuwirken. Ich nehme das zum Anlass, Anliegen und entsprechenden Inhalt meiner Beziehung zur Gruppe zu überprüfen. Insofern stellt das Schreiben dieses Blogartikels für mich eine bewusste und hilfreiche Auseinandersetzung mit meiner eigenen Haltung dar. Ich hoffe, Sie erleben auch aus Leserperspektive einen Mehrwert.

Mit diesem Blogartikel verabschiede ich mich in die Weihnachtspause und wünsche Ihnen, liebe Leser*innen, eine besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Jahresabschluss 2023.

 

Bleiben Sie interessiert

Felix Pritschow

PS: Wenn Sie den Prozess in ZRM®-Kursen noch detaillierter nachlesen möchten, hier habe ich ihn beschrieben.

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